Die Geschichte der Diakonie

Die Entstehung und Geschichte der Diakonie-Sozialstationen ist eng mit der Gemeindekrankenpflege verknüpft, die Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Anfang nahm. Nachdem die rheinische Provinzialsynode die Gemeinden ermutigt hatte, Pflegestationen aufzubauen und dafür Diakonissen einzustellen, schickte 1844 Theodor Fliedner, Pfarrer und Gründer des Kaiserswerther Verbandes, Luise Nunnenkampf als erste Diakonisse in eine Gemeinde bei Bielefeld. In Württemberg folgten schnell einige evangelische Pfarrer dem Beispiel Fliedners, und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden einige Diakonissen-Mutterhäuser gegründet, die Schwestern ausbildeten und in die Gemeinden „entsandten". Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Aufgaben der Gemeindeschwestern in einer Dienstordnung der Diakonissen des Mutterhauses Sarepta in Bethel wie folgt beschrieben: „Die Kraft und Zeit der Diakonissen gehört stets in erster Linie den armen Kranken. Wenn keine armen Kranken zu pflegen sind, oder die auf die Pflege der Armen verwendete Zeit so einzurichten ist, dass der Diakonisse noch freie Zeit verbleibt, so darf sie auch bei anderen Gliedern der Gemeinde Krankenpflege oder einzelne Hilfeleistungen verrichten, ganz besonders sich aber der weiblichen Jugend in der Gemeinde annehmen. Die Konfession der Hilfebedürftigen darf dabei kein Hinderungsgrund für die Pflege durch die Diakonisse sein".

Die Gemeindeschwester war damals auch Mitarbeiterin des Pfarrers.
Neben der Krankenpflege hatte sie weitere Aufgaben wie den Frauenkreis, Jugendarbeit, Orgeldienst oder Mithilfe beim Kindergottesdienst zu übernehmen. In der Krankenpflege wirkten die Diakonissen auch als „Multiplikatoren der modernen Medizin”, indem sie Helferinnen anleiteten und ausbildeten.


Die Bemühungen um Krankenpflege, vor allem auf dem Land, wo bis dahin die pflegerische Versorgung Bedürftiger katastrophal war, fanden schnell auch staatliche Unterstützung. 1895 verabschiedete der preußische Staat „ein Gesetz zur Regelung der Tätigkeit der Gemeinde-schwestern in der ambulanten Krankenpflege” und 1906 wurde in Preußen erstmals die Krankenpflegeausbildung gesetzlich geregelt, um einen bestimmten pflegerischen Standard sicherzustellen. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Krankenpflegevereine, deren Ziel es war, Diakonissen zu beschäftigen, zu bezahlen und dadurch die Not vieler Kranker und Pflegebedürftiger zu lindern.

 

Die Blütezeit der Gemeindekrankenpflege lag in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Durch zwei Weltkriege sowie die nationalsozialistische Herrschaft und ihre Gleichschaltungspolitik erlitt die kirchlich-diakonische Arbeit starke Einbußen. Trotzdem erlebte die Gemeindekrankenpflege in der 50er und 60er Jahren noch mal einen immensen Aufschwung. So waren 1959 in über 4600 Gemeindepflegestationen rund 5500 Schwestern tätig. Dieser Dienst wurde jedoch von einer ernsten Krise bedroht, vor der Kirchen und Gemeinden ihre Augen nicht verschließen konnten. Über 75 Prozent der Gemeindeschwestern waren Ende der 50er Jahre bereits zwischen 55 und 70 Jahren alt. Allmählich folgten den Diakonissen deshalb Krankenschwestern mit einer säkularen Ausbildung in den Gemeinden nach. Doch gleichzeitig mit dem Rückgang der kirchlich-ambulanten Krankenpflege erkannten verschiedene Sozialpolitiker die Bedeutung dieser Arbeit im staatlichen Gesundheitssystem. Ab 1967/68 gab es deshalb Verhandlungen zwischen den Vertretern kirchlicher Wohlfahrtsverbände und den Ländern. In der Folgezeit erließen die Länder Richtlinien für die Einrichtung und Förderung von Sozialstationen. Ab Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden Diakonie-Sozialstationen aufgebaut und ihre Finanzierung durch das Land Baden-Württemberg sichergestellt.

 

Eine wesentliche Rolle in der württembergischen Geschichte der Gemeindekrankenpflege haben die sogenannten Krankenpflegevereine gespielt. Sie waren das bürgerlich-kirchliche Gegenstück zur Kirchengemeinde. Ihre spezielle Aufgabe war und ist es, die Pflege in den Gemeinden zu fördern und zu unterstützen. Allein in Württemberg gibt es heute noch rund 600 dieser Vereine. Viele von Ihnen haben eine hundertjährige Geschichte.

 

 

Heute wird Pflege bei den Diakonie-Sozialstationen in der Regel nicht mehr durch eine einzelne Diakonisse geleistet, sondern durch ein Team von Krankenschwestern, Altenpflegerinnen und hauswirtschaftlichen Fachkräften. In Württemberg gehört auch die Familienpflege zur Tradition
des Leistungsangebotes. Das Selbstverständnis als kirchlich-diakonischer Dienst blieb erhalten, viele Stationen besinnen sich heute auf ihre Wurzeln und erarbeiten sich Leitbilder, die Tradition und Moderne in der Pflege in Übereinstimmung bringen.